Samstag, 10. März 2018

[Rezension] Leigh Bardugo: Wonder Woman - Kriegerin der Amazonen

Wonder Woman - Kriegerin der Amazonen

Autor
: Leigh Bardugo

Genre: Jugendbuch, Fantastik, Heroes
Erschienen: 6. Februar 2018
Seiten: 448
Einband: Hardcover
Verlag: dtv
ISBN: 978-3-423-76197-0
Preis: 18,95€ [DE], 19,50€ [A]

Rating: ♥♥






Inhalt

"Eigentlich will Diana, Tochter der Amazonenkönigin, nur eines: das Rennen gewinnen, in dem sie gegen die schnellsten Läuferinnen der Insel antreten muss. Doch dann erblickt sie am Horizont ein untergehendes Schiff und bewahrt Alia, ein gleichaltriges Mädchen, vor dem Tod. Doch wie Diana vom Orakel erfährt, ist es Alias Bestimmung, die Welt ins Unglück zu stürzen und Krieg über die Menschheit zu bringen. Um dies zu verhindern, reist Diana mit Alia ins ferne New York – und wird unversehens mit einer Welt und Gefahren konfrontiert, die sie bislang nicht kannte ..." - Quelle: Verlag

Cover ♥♥

Dem Cover von Leigh Bardugos neustem Roman "Wonder Woman" kann ich absolut nichts abgewinnen. Nicht nur das riesige Emblem mit dem Wonder Woman "W", das gefühlt die Hälfte des Bildes einnimmt, auch die schreckliche, schlecht retuschierte Frauenfigur, die darüber thront und anscheinend Diana darstellen soll, wirken irgendwie aufdringlich und zugleich fehl am Platz. Der Dame wurde ein dunkler Schatten über die Augen gelegt, vermutlich, damit man sich das Gesicht der Protagonistin noch immer selbst vorstellen kann - oder sie war vielleicht einfach nicht hübsch genug. Egal wie, die künstliche Verdunkelung der Augen sieht absolut unnatürlich und lächerlich aus und verspielt damit eine Menge Potenzial, ein wirklich schönes Cover zu sein. Auch Schriftart und -farbe des Titels machen diese Verfehlung nicht weg: Der bronzene Orange-Ton, in dem auch Dianas Armreifen gehalten sind, mögen zwar zu ihrem Outfit passen, wirken aber gemeinsam mit dem Mitternachtsblau des Hintergrunds und der gewählten Schriftart irgendwie billig und wenig elegant. Eine Sache kann das Cover jedoch recht gut: Es reicht ein Blick aus, um zu wissen, dass es sich um eine Geschichte mit Wonder Woman handelt - die ikonische Farbgebung und Gestaltung sowie das übertrieben große Wappen lassen daran schließlich keinen Zweifel. Auffällig ist das Cover dadurch allemal.

Charaktere ♥♥♥♥

Diana: Unsere Protagonistin hat es nicht leicht: Statt wie ihre Amazonen-Schwestern auf der Insel Themyscira als Kriegsheldin wiedergeboren worden zu sein, wurde sie von ihrer Mutter Hyppolita aus Lehm geschaffen und auf der Insel geboren worden. Damit steht es ihr noch bevor, sich als wahrhafte Heldin zu beweisen. Als sie eines Tages an der Küste der Insel die gestrandete Alia vor dem Ertrinken rettet, steht sie zwischen denn Stühlen, denn es ist nicht Fremden nicht gestattet, die Insel der Amazonen zu betreten, Alia entpuppt sich auch noch eine größere Bedrohung als zunächst angenommen. Und dennoch will sie ihr Leben um jeden Preis retten. Ihre Reise führt sie damit erstmals in ihrem Leben in die Welt der Menschen - und was sie dort erlebt wird sie für immer verändern. Diana ist eine starke, liebenswürdige und manchmal etwas hilflose Heldin mit einem wahnsinnigen Charme. Die Werte, die sie seit ihrer Geburt auf Themyscira gelehrt bekam, sind ihr so heilig wie jedes einzelne Leben auf der Welt. In Konfrontation mit dem Unbekannten ist sie natürlich ratlos und verwirrt, was immer wieder Situationen hervorbringt, die dem Leser ein Lachen entlocken, ist dabei jedoch nicht so hilflos, dass es für den Leser nervig wird. Leigh Bardugo findet eine gute Waage darin, ihre physisch so übermächtige Heldin an genau den richtigen Stellen auch mal schwach sein zu lassen, um sie den anderen Charakteren, aber auch den Lesern näher zu bringen. Manchmal war mir ihre Loyalität einem Mädchen gegenüber, das sie noch gar nicht so lange kennt, etwas zu übertrieben, andererseits passt diese Eigenschaft wunderbar zu ihrer hinterweltlerischen, teils naiven, teil überzeitlich moralischen Weltauffassung, weshalb ich mich eigentlich nicht beschweren konnte. Diana ist eine sehr angenehme Protagonistin, eine Heldin, wie man sie sich wünscht, aber auch eine Figur ohne viel Tiefe. Eben einfach "leichte Kost".

Alia: Dianas neue Freundin Alia weist dagegen schon eine ganze Menge mehr an psychologischer Tiefe auf. Seit ihrer Geburt trägt sie ein schweres Los und scheint gerade in letzter Zeit besonders viel Pech zu haben: Zu Beginn des Romans wird sie sogar vor der Küste Themysciras schiffbrüchig. Ihr erstes Zusammentreffen mit Diana und den Amazonen, die sie bisher nur aus Mythen und Büchern kannte, wird durch ihren Hintergrund als gewöhnliche Jugendliche aus New York wahnsinnig amüsant. Der Leser kann sich wunderbar in sie hineinfühlen - und durch ihren sehr charmanten Humor werden die Kapitel aus ihrer Sicht, die sich mit denen aus Dianas Sicht abwechseln, zu einer absoluten Lesefreude. Von ihrem über-besorgten Bruder Jason wohlbehütet erlebt Alia ihr ganzes Leben lang eine Form der Unterdrückung und Unfreiheit, die sich so auf ihren Charakter auswirkt, dass sie ihr inneres Potential, eine starke, toughe, junge Frau zu sein, hauptsächlich in Innensichten und erlebter Rede auslebt. Im Verlauf der Geschichte wächst sie nicht nur mit ihrer neuen Freundin Diana fest zusammen, sie wächst auch angenehm über sich hinaus und entwickelt sich zu einer stärkeren, gefestigteren Persönlichkeit als noch am Anfang. Besonders toll fand ich, dass mit ihrer dunklen Hautfarbe als Afro-Amerikanerin geschickt Themen und Probleme der amerikanischen Gesellschaft angesprochen werden, ohne zu stark die Moralkeule zu schwingen. Leigh Bardugo liefert mit Alia genau die richtigen Denkanstöße für Jugendliche und Erwachsene egal welchen Alters oder welcher Hautfarbe.

Nim & Theo: Wie immer wähle ich neben den Hauptcharakteren immer noch mindestens einen Nebencharakter aus, da mir diese in der Regel besonders wichtig sind. In diesem Fall konnte ich mich zwischen den beiden 'Sidekicks' von Alia und Diana nicht entscheiden und möchte sie gerne beide nennen. Nim ist eine kleine, etwas dickliche, fröhliche und selbstbewusste Inderin und Alias allerbeste Freundin. Sie sagt immer geradeheraus was sie denkt, hat ein riesiges Allgemeinwissen und eine schnelle Auffassungsgabe, ist bisexuell und besitzt ein großes Talent als Modedesignerin. Ihre rasanten Dialoge sind geprägt von viel Wortwitz und einer gesunden Portion Sarkasmus, was die Szenen mit ihr unfassbar angenehm zu verfolgen macht. Sie ist ein wahnsinnig moderner, liebenswerter Charakter, der den Roman absolut aufwartet. Mit Theo hatte ich dagegen zunächst meine Probleme: Der afro-amerikanische Junge kommt aus gutem Hause und wurde stets verwöhnt, hat jedoch eine sehr schwierige Beziehung zu seinem Vater. Beschrieben wird er als eher dünn und betitelt sich oft selbst als 'Nerd', der lieber vor dem PC sitzt und Videospiele spielt, als sich den Problemen des Erwachsenwerdens zu stellen. Dafür ist er ein absolut begabter 'Hacker', eine Tatsache, die ich fast schon zu klischeehaft fand, die aber nur am Rande wichtig wird und daher nicht allzu sehr ins Gewicht fällt. Ich konnte ihn zunächst nicht leiden, da er stellenweise eine solche Arroganz an den Tag legt, die mir einfach nicht gefiel - sympathischerweise konnten die restlichen Charaktere damit genauso wenig anfangen wie ich. Leigh Bardugo schafft es also wunderbar, ihn genau so darzustellen, wie er auch auf die anderen wirken soll. Später hatte ich dann einen sehr versöhnlichen Moment mit Theo und halte ihn - ebenso wie Nim - für eine absolute Bereicherung. Auch wenn sein Vater ihm häufig vorwirft, er sei zu nichts zu gebrauchen.

Schreibstil ♥♥♥♥♥

Ich kenne Leigh Bardugos Schreibstil sehr gut aus 'Das Lied der Krähen', meinem Toptitel aus dem letzten Jahr. Für mich ist sie eine absolut grandiose Jugendbuchautorin, die es ohne große Anstrengung schafft, natürliche, liebenswerte Charaktere zu schaffen, die alle ihre Besonderheiten haben. Gleichzeitig sind sie derart down-to-earth, dass man sich gut vorstellen kann, sie könnten genauso gut nebenan wohnen. Wie viel Gespür sie für charakterliche Nuancen besitzt, zeigt sich besonders darin, dass sie auch in den sich abwechselnden Kapiteln von Diana und Alia jeweils einen anderen Schreibstil verwendet: Zwar sind beide Teile personal und nicht aus der Ich-Perspektive erzählt, doch wird aus dem von ihr verwendeten Vokabular sofort klar, welche der beiden Perspektiven gerade dran ist. Dianas Part ist beispielsweise immer etwas hochgestochener formuliert. Sie benutzt eine eher altmodische Wortwahl und keine Umgangssprache, paraphrasiert dafür viel, weil sie viele Ausdrücke wie 'Aufzug' oder 'Limousine' eben noch nicht kennt. Alias Part dagegen strotzt nur so von modernen Ausdrücken, Anspielungen aus der Popkultur und einer Menge Humor, der Diana beinahe komplett fehlt - das hört sich jetzt allerdings schlimmer an, als es tatsächlich ist, denn auch Dianas trockene Art tut oft genug ihren Teil zu absoluten Situationskomik. Weiterhin zeichnet sich Leigh Bardugos Zeichenstil dadurch aus, dass er wesentlich literarischer ist, als es bei vielen anderen Autoren der Popkultur der Fall ist: Sie rennt nicht durch den Text, sondern lässt sich ausreichend Zeit für Innensichten und Beschreibungen, ohne dabei gähnend langweilig zu werden. Für mich hat sie sich schnell zu einer meiner Lieblingsautorinnen entwickelt.

Handlung ♥♥♥

Ja okay, die Handlung in Wonder Woman war ganz nett, hat mich jetzt aber auch nicht total vom Hocker gehauen. Sie beginnt, wie bei so vielen Superhelden-Geschichten, mit einer Queste, nämlich der, das Alia einen bestimmten Ort der Welt aufsuchen muss, um die absolute Welt-Katastrophe abzuwenden. Zunächst glaubt sie Diana nicht, ist jedoch bald schon sehr motiviert dabei. Fehlen nur noch ein paar actiongeladene Hindernisse, fetzige Dialoge und ein guter Bösewicht und schon haben wir die Rezeptur für einen typischen Marvel/DC-Film. Unterhaltsam, aber eben auch nicht absolut überragend. Wobei die Enthüllung des wahren Bösewichts gegen Ende des Romans auf jeden Fall einen Schockmoment hervorruft und den unaufmerksamen Leser eiskalt erwischt. Der Roman könnte 1:1 so im Kino laufen und würde sich vermutlich wunderbare Quoten einfahren, denn die Rezeptur ist so oft erprobt und Leigh Bardugos Ausführung wirklich gut. Bis auf die eben genannte Szene konnte mich die Handlung jetzt aber auch nicht besonder überraschen - außer, dass es erfrischend viele starke, weibliche Charaktere gibt, die den Männern zeigen, wo die Harke hängt. Ein großer Pluspunkt war für mich das Fehlen einer Lovestory: Zwar gibt es hier und da mal eine Szene, in der sich die Charaktere gegenseitig schöne Augen machen, ansonsten ist die Geschichte absolut schnulzfrei. Die Ablenkung einer amourösen Beziehung würde aus der Wonder Woman Figur auch ziemlich viel Power nehmen. Dann ginge es nicht mehr um sie und ihre Errungenschaften, sie wäre dann ein normales Mädchen wie jedes andere auch - irgendwie entzaubert. Leigh Bardugo hat ein wunderbares Gespür für solche Dinge. 

Gesamtwertung ♥♥♥

Als ich den Roman erstmal in der Hand hielt, wollte ich ihn erst gar nicht lesen. Dann sah ich, von wem er geschrieben worden war und entschied, ihm eine Chance zu geben. Auf den ersten Seiten war ich absolut geflasht von Leigh Bardugos fantastischem Schreibstil und der feinfühligen Zeichnung ihrer Charaktere und der fast greifbaren, plastischen Welt, die sie erschafft. Die anfängliche Begeisterung nahm jedoch bald wieder ab, als ich merkte, dass ich es genauso gut mit dem Drehbuch des nächsten Hollywood-Blockbusters zutun haben könnte. Die Story ist wenig überraschend, die Action-Szenen sind zu einem Großteil wahnsinnig übertrieben - aber ist ja klar, schließlich haben wir es mit einer Heldin mit übermenschlichen Fähigkeiten zu tun. "Wonder Woman - Kriegerin der Amazonen" ist ein guter, unterhaltsamer Action-Held-Roman mit einer großen Prise Humor, viel Spannung und zum Teil überraschend expliziter Gewalt. Besonders genossen habe ich die Problematisierungen am Rande, die den Lesern Denkanstöße zu Themen wie Rassismus im Alltag, Fatshaming, Sexismus etc. liefern, ohne es zu übertreiben und sie zu sehr ins Zentrum zu stellen. Denn allem anderen voran möchte Wonder Woman Jugendliche inspirieren und unterhalten, ohne sie dabei gleich vor eine bombastische Leinwand zu zerren. Und das hat der Roman auf jeden Fall geschafft.


Spannung
Romantik
Humor
Gewalt
Action

- Eure Bücherfüchsin

1 Kommentar:

  1. Hey Julia,

    eine tolle und ausführliche Rezension zum Buch. Ich finde es auch gut, dass du die Diversität mit ansprichst. Ich bekomme das jetzt erst durch twitter ein bisschen mehr mit und dadurch denke ich mittlerweile über einige Dinge auch anders oder nehme sie anders wahr. In meine Rezension habe ich das jetzt nicht eingebracht, obwohl es an sich ein wichtiger Punkt ist, aber ich glaube andere können das besser als ich.
    Ich habe dich bei meiner Rezension verlinkt, die am Samstag online geht.

    LG, Moni

    AntwortenLöschen

Popular